Erster Wissenschaftlicher Workshop von SMA Europe e.V.

Vom 13.bis 14. Juli 2012 veranstaltete SMA Europe in Rom seinen ersten wissenschaftlichen Workshop. Die örtliche Organisation lag in den Händen des italienischen Mitgliedsverbandes „Famiglie SMA“. Unter dem Titel „Mapping out Opportunities and Challenges for SMA clinical trials“, befasste er sich mit den Problemen klinischer Studien bei SMA. Klinische Studien sind für die Zulassung von Medikamenten erforderlich. Hierzu wurden ca. 30 Teilnehmer aus Europa und den USA eingeladen, Wissenschaftler, klinisch tätige Ärzte, Physiotherapeuten und Vertreter der Pharmaindustrie. Ergebnis der intensiven 2tägigen Diskussionen sind Empfehlungen, wie bei künftigen klinischen Studien vorgegangen werden soll.

Zu Beginn der Veranstaltung wurden die bisher durchgeführten klinischen Studien bei SMA vorgestellt. Bei keiner dieser Studien konnte bisher eine positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufs durch die getesteten Wirkstoffe nachgewiesen werden.
Im weiteren Verlauf wurden spezifische Probleme bei zukünftigen Studien diskutiert, die durch die verschiedenen Typen der SMA gegeben sind. Hierbei wurde ein Mal mehr deutlich, wie schwierig klinische Studien bei dieser Erkrankung sind. SMA ist eine so genannte „spectrum disease“. Es existiert zwar eine klinische Einteilung in Typ I bis IV, aber die einzelnen Typen gehen fließend ineinander über.

Eine klinische Studie bei Typ I könnte möglicherweise am schnellsten aussagekräftige Ergebnisse liefern, da die Mehrzahl dieser Kinder ohne Beatmungsmaßnahmen nicht älter als 2 Jahre wird. Es ergeben sich hier jedoch zahlreiche praktische und auch ethische Probleme. Sie müssten in einer Studie so früh wie möglich eingeschlossen werden, wenn möglich nach einer genetischen Diagnostik bereits vor dem Auftreten von Symptomen. SMA ist jedoch nicht in das Screeningprogramm für Neugeborene aufgenommen, da bisher keine wirksame Behandlung existiert. Ein Neugeborenenscreening auf SMA wird bisher nur als Pilotstudie in 2 Bundesstaaten der USA durchgeführt. Es ist in Deutschland auf Grund gesetzlicher Regelungen zurzeit nicht durchführbar.

Eine weitere Hürde ist, dass Kinder mit SMA Typ I gesundheitlich sehr instabil sind und Besuche in weiter entfernten Studienzentren deshalb mit großen Problemen verbunden sein können. Dadurch kann der Erfolg einer Studie gefährdet werden.
Die Rekrutierung von Typ I-Patienten für klinische Studien ist auch deshalb problematisch, weil nur ein kleiner Teil in den Registern aufgenommen ist. 60 % der an SMA Erkrankten gehören zum Typ I; sie sind in den Patientenregistern jedoch nur zu 25 % vertreten.

Bei den SMA II bis IV-Patienten sind, bedingt durch den Verlauf der chronischen Erkrankung, die Krankheit beeinflussende sekundäre Faktoren wie Kontrakturen, Skoliosen und orthopädische Operationen zu berücksichtigen.

Bei Patienten mit Typ II bis IV werden die motorischen Fähigkeiten gegenwärtig mit unterschiedlichen Bewertungsverfahren mit Punktwerten beurteilt, die alle ihre Stärken und Schwächen haben. Um hier eine Homogenität zu erreichen, die für länderübergreifende klinische Studien unbedingt notwendig ist, wurde von mehreren SMA-Selbsthilfegruppen, unter anderem SMA Europe, ein statistisches Analyseverfahren in Auftrag gegeben, mit dessen Hilfe ein einheitliches und aussagekräftigeres Bewertungsverfahren erarbeitet werden soll. Dabei wird es wichtig sein, welche Änderungen in den Punktwerten der Skalen sowohl von den Patienten als auch von den Zulassungsbehörden bei einer Studie für „klinisch bedeutend“ gehalten werden.
Als Biomarker (ein Biomarker gibt indirekte Hinweise auf den Krankheitsverlauf) existieren bisher vor allem die mit Hilfe elektrischer Stimulationen gemessenen motorischen Einheiten an einem Muskel der Hand und das maximale Aktionspotential dieses Muskels. Es ist wichtig, weitere aussagekräftige Biomarker zu entwickeln, auch um die Zeitdauer klinischer Studien abzukürzen.

Es bestand Einigkeit, dass den Patientenvertretungen eine wichtige Rolle in den Verhandlungen mit der europäischen Medikamenten-Zulassungsbehörde EMA (European Medicines Agency) als auch mit der amerikanischen Behörde FDA (Food and Drug Administration) zukommt, wenn es um den Verlauf und Inhalt einer Studie geht.

Sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Durchführung des Workshops wurde SMA Europe von Dr. Nathalie Kayadjanian, einer früheren Mitarbeiterin des französischen Mitgliedsverbandes „Association Francaise contre les Myopathies (AFM), beraten. Sie hat in Zusammenarbeit mit den Teilnehmern des Workshops eine wissenschaftliche Zusammenfassung mit weiteren Empfehlungen erarbeitet, die auf der Webseite des Orphanet Journal of Rare Diseases veröffentlicht wurde.

Dr. Inge Schwersenz
is@initiative-sma.de