18. SMA-Kongress der Families of SMA

National Harbor, Washington D.C., USA, 12.-14. Juni 2014

Neben den Veranstaltungen, bei denen die Wissenschaftler und Mediziner weitgehend unter sich blieben, gab es z. T. gemeinsame Veranstaltung mit der 18. Tagung den SMA-Familien, wie z.B. die öffentliche Diskussion u. a. mit Vertretern der Biotech- und Pharmafirmen oder die Postersitzung von Wissenschaftlern für betroffene Familien.

Teilnehmer: Betroffene Familien aus aller Welt + über 200 internationale Wissenschaftler aus akademischen Einrichtungen und der Industrie

Themen: aktueller Stand der SMA-Forschung, zukünftige Entwicklungen, gesundheitspolitische Rahmenbedingungen für klinische Studien.

Nächstes 19. internationales Treffen: Kansas City, MO, USA, 19.-22. Juni 2015

Kurze Zusammenfassung der wichtigsten Themen aus dem wissenschaftlichen Teil der Tagung

1. Neue Strategien für molekulare SMN-unabhängige bzw. -abhängige Therapieansätze, u. a. durch Vergleich mit therapeutischen Fortschritten bei anderen Erkrankungen als SMA

2. Besseres molekulares Verständnis der spezifischen Funktionen des SMN-Gens

3. Zellbiologische Veränderungen im SMA-Krankheitsverlauf

4. Identifizierung klinischer Biomarker: Voraussetzung für klinische Therapiestudien

5. Klinische Therapiestudien: Status quo und Ausblick

6. Klinische Forschung: Ernährung, Bewegung und Lebensqualität

7. Gesundheitspolitische Rahmenbedingungen: Verständigung zwischen regulatorischen Behörden, Familien, Wissenschaftlern und pharmazeutischer Industrie.

 

In dieser Kurzfassung werden nur die Punkte 4.-7. etwas detaillierter dargestellt. Den vollständigen Bericht können Sie hier downloaden.

4. Entwicklung klinischer Biomarker als Voraussetzung für Erfolgsmessung von Therapien

Um den klinischen Verlauf der SMA und die Wirksamkeit von neuen Therapien messen zu können, sind klinische, laborchemische, elektrophysiologische oder molekulare Messgrößen (Biomarker) erforderlich.

4.1 Elektrophysiologische Messungen erfassen Motoneuron-Genesung im SMA-Mausmodell nach Behandlung mit Antisense-Oligonukleotiden (ASOs)

s. vollständigen Bericht

4.2 Entwicklung von standardisierten Fragebögen und physiotherapeutischen Tests zur Standortbestimmung des Krankheitsverlaufs beim individuellen SMA-Patienten

Drei Gruppen trugen ihre Erfahrungen mit unterschiedlichen Messwerkzeugen vor: Amy Pasternak (Boston Children’s Hospital , Harvard Medical School Boston, USA) berichtete, dass der computerisierte sog. PEDI-CAT Fragebogen, der von Eltern bzw. Pflegepersonen ausgefüllt wird, bei SMA III-Patienten den Behinderungsgrad im täglichen Aktivitätsradius, bei spezifischen motorischen Leistungen und bei Teilnahme am sozialen Leben gut widerspiegelte, aber für SMA I- und SMA II-Patienten noch zu hohe Leistungen abfragt und für diese beiden Patientengruppen noch auf geringere Restfunktionen angepasst werden muss (z.B. Rollstuhlmobilität als neue Frage). Kristin Kroschell präsentierte Daten aus Langzeituntersuchungen von mehr als 45 SMA I-Patienten, bei denen Ergebnisse für CMAP und MUNE mit den Ergebnissen einer physiotherapeutischen Testbatterie (sog. TIMPSI score) verglichen wurden. Alle drei Messwerkzeuge bildeten den raschen Krankheitsverlauf bei SMA I-Kindern vergleichbar ab, wobei der Tiefpunkt lt. CMAP und MUNE schon nach 2-4 Monaten erreicht war. Der TIMPSI score war empfindlich genug, um schon im Alter von 4-5 Wochen nach Geburt verlässlich zwischen gesunden und SMA I-Kindern zu unterscheiden. Der Nachteil des TIMPSI-scores, dass der Säugling durch diese physiotherapeutischen Messungen ermüdet wird und seine Leistungen z.B. abhängig von Tageszeit oder Mahlzeiten schwanken, war Anlass für Lindsay Alfano und Mitarbeiter (Research Institute at the Nationwide Children’s Hopsital, Ohio, USA), einen völlig anderen Test zu entwickeln. Diese Forschergruppe möchte Bewegungsmuster durch standardisierte Videoaufnahmen des SMA-Säuglings quantifizieren. Erste Erfahrungen mit diesem sog. ACTIVE Test, der zuerst bei Muskeldystrophie-Patienten eingesetzt wurde (Lowes et al., 2013), bestätigen den geringen Aufwand und die hohe Empfindlichkeit: Erkrankte SMA I-Säuglinge würden wahrscheinlich schon innerhalb der ersten 15 Lebenstage verlässlich allein an charakteristisch veränderten Bewegungsmustern, u. a. auch Atemmuster, im Vergleich zu gesunden Kindern erkannt. Die Hoffnung ist u. a., dass die videographische Quantifizierung der Motorik von SMA I-Patienten mittel ACTIVE es ermöglichen wird, selbst geringe Verbesserungen des Krankheitsverlaufs bei Patienten zu erkennen, die z.B. im Rahmen einer klinischen Studie eine neuartige Therapie erhalten.

4.3 Natürlicher Krankheitsverlauf (natural history) bei SMA I-Kindern innerhalb der ersten beiden Lebensjahre – NeuroNEXT Biomarker Studie

Das National Institute for Neurological Diseases and Stroke (NINDS) hat ein Netzwerk von klinischen Studienzentren in den USA für neurologische Forschung finanziert (NeuroNEXT). Dank dieser Infrastruktur konnte im November 2012 die SMA Infant Biomarker-Beobachtungstudie an 25 US-amerikanischen Studienzentren begonnen werden, über deren Fortschritte jetzt Stephen Kolb (Ohio State University/Wexner Medical Centre, Columbus, Ohio, USA) berichtete. Schneller als erwartet wurden fast alle SMA I-Patienten und alle geplanten Kontrollprobanden (27 Säuglinge ohne SMA) rekrutiert. Alle Patienten und Probanden werden bei insgesamt 6 Visiten über 2 Jahre untersucht u. a. mittels TIMPSI, CMAP und Blutentnahmen für Messungen SMA-spezifischer (SMN mRNA und SMN Protein) und nicht SMN-assoziierter Biomoleküle. Die in ca. 2 Jahren zu erwartenden Daten sollen den natürlichen Krankheitsverlauf bei SMA I dokumentieren und als Bezugspunkt für zukünftige Therapiestudien dienen. Eine andere, weniger umfangreiche SMA I-Beobachtungsstudie einer kleineren Studiengruppe zwischen 2005 bis 2009 ohne Kontrollprobanden hatte bereits einige wertvolle Hinweise zum natürlichen Krankheitsverlauf ergeben (Finkel et al.; 2014).

 

5. Prä-/klinische Therapiestudien für SMA: aktueller Stand und Zukunft

Präsentiert wurden Experimente zur Optimierung von Therapien an SMA-Tiermodellen, Aufmerksamkeit erregten aber vor allem erste Ergebnisse der klinischen Studien mit Patienten.

5.1 Viele wichtige Fragen an SMA-Tiermodelle

Optimale Technik zur Korrektur des alternativen SMN2-Splicing? Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen? Spätester Zeitpunkt, an dem ein Therapiebeginn noch Wirkung zeigt? Therapieeffekte außerhalb des neuromuskulären Systems? Optimale Verabreichung von therapeutischen Molekülen, die nicht über die Nahrung aufgenommen werden können?

Im menschlichen SMN2-Gen sind an einigen wenigen, aber funktionell wichtigen Positionen um / im Exon 7 andere DNA-Basen eingebaut als im SMN1-Gen. Dadurch kommt es physiologischerweise überwiegend zu alternativem Splicing, d.h., dass bei der Bildung der mRNA (Zwischenstufe zur SMN-Protein Produktion) das Exon 7 verloren geht. Als sog. splice modifier Moleküle werden derzeit Antisense Oligonukleotide (ASO) und kleine Moleküle (small molecules) für den therapeutischen Einsatz bei SMA favorisiert. Die Hoffnung ist, damit die Produktion von SMN-Volllängeprotein in der Zelle steigern zu können mit positiven Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf.

Die Gruppe um Brian Kaspar und Arthur Burghes (Ohio State Universtity und Gene Therapy Center, Nationwide Children’s Hospital. Columbus, Ohio, USA) schufen ein SMA-Säugetiermodell, nämlich das Hausschwein (http://projectreporter.nih.gov/reporter.cfm : admin IC NS083804). Die Bedeutung liegt darin, dass das vorgestellte SMA-Tiermodell nicht nur den menschlichen Phänotyp sehr genau reproduziert, sondern auch die Größenverhältnisse im Schwein eher dem des Menschen ähneln, so dass Fragen z.B. ob das Therapeutikum (in diesem Modell viraler Gentransfer) die Zielzellen erreicht, verlässlicher auf den menschlichen Patienten übertragbar sein werden als das vom Mausmodell zu erwarten ist. Erste Daten zu behandelten SMA-Schweinen ergaben, dass ein Therapiebeginn selbst einige Zeit nach Manifestation der typischen Muskelschwäche noch einen (begrenzten) klinischen Benefit erzielt.

Cathleen Lutz (The Jackson Laboratory, Bar Harbor, Maine, USA) und Mitarbeiter benutzen ein intermediäres SMA-Mausmodell (Burgheron Maus). Sie belegten, dass auch ein verzögerter Therapiebeginn deutlich nach Krankheitsausbruch noch eine Wirkung zeigt. Es wurden Therapieeffekte (in diesem Fall mit dem oral verabreichten sog. SMN-C3 Molekül von PTC Therapeutics/Roche) auch außerhalb des neuromuskulären Systems nachgewiesen (z.B. Stopp des typischen Gewebeuntergangs im Bereich der Schwanzspitzen von SMA-Mäusen).

Die Frage, ob der Ersatz des SMN-Proteins im Nervensystem ausreicht, oder ob der zusätzliche SMN-Ersatz in der Muskulatur zusätzlichen therapeutischen Nutzen bringt, wird derzeit an Tiermodellen untersucht. Sie ist wichtig, um einschätzen zu können, welche Zielzellen voraussichtlich bei SMA-Patienten erreicht werden müssen, um die Erkrankung möglichst wirkungsvoll zu behandeln. Bei Verwendung eines Splicing-modifizierendem ASO fanden Corti und Kollegen (Neurowissenschaften; Universität Mailand, Italien), dass eine gleichzeitige Gabe in die Hirnventrikel (lokal) und in die Blutbahn (systemisch) bessere therapeutische Ergebnisse im Δ7 SMA-Mausmodell erzielte als die ausschließlich lokale Verabreichung (Nizzardo et al., 2014)

5.2 Europäische multizentrische Therapiestudie mit Olesoxime bei SMA II/III-Patienten (Trophos, Frankreich; ClinicalTrials.gov Identifier: NCT01302600) und Ausblick

Olesoxime (TRO19622) beeinflusst die Funktion der Mitochondrien und stabilisiert darüber die Motoneuronen (neuroprotektive Wirkung). Durch diese Placebo-kontrollierte doppelt-verblindete Phase II-Studie sollten Sicherheit und Wirksamkeit dieser Substanz bei SMA II- und III-Patienten (Alter 3-25 Jahre) untersucht werden. Teilnehmende Studienzentren aus Deutschland waren die Neuropädiatrien der Unikliniken Essen und Freiburg, sowie das Friedrich-Baur Institut in München. Insgesamt liegen jetzt die Daten von 100 mit Olesoxime behandelten Patienten und 50 Placebo-behandelten Patienten zur Auswertung vor. Da die 2jährige Studie zu Ende gebracht werden konnte, war Olesoxime offensichtlich gut verträglich. Die sehr detaillierten begleitenden Untersuchungen auch der Placebo-behandelten Patienten bedeuten, dass die Ergebnisse von diesen Patienten als „historische“ Kontrollgruppe für zukünftige Studien eingesetzt werden können. Ob die Ergebnisse überzeugend genug für eine Zulassung von Olesoxime zur Behandlung von SMA bei der FDA / EMA sind, war noch nicht eindeutig.

5.3 Nordamerikanische multizentrische Therapiestudie mit dem Antisense Oligonukleotid (ASO) ISIS 396443 (auch ISIS-SMNRx genannt; ClinicalTrials.gov Identifier: NCT01494701) und Ausblick

Antisense Oligonukleotide (ASO) modifizieren das Spleißen der von den SMN2-Genkopien abgelesenen RNA derart, dass Exon 7 nicht herausgeschnitten und somit funktionell einwandfreies SMN-Protein gebildet wird.

Aktuell werden Phase I/II-Studien mit 2-5 Jahre alten SMA II- bzw. III-Kindern und mit 15 SMA I-Säuglingen abgeschlossen, bei denen mehrfache ISIS-SMNRx Gaben mit Dosen bis zu 12mg/kg/KG durch Lumbalpunktion verabreicht wurden. Zwischenauswertungen ergaben keine Sicherheitsbedenken, und wiesen auf einen gut nachweisbaren Zusammenhang zwischen Dosis und Funktionsverbesserung hin. Klinisch zeichnet sich eine längere Überlebenszeit ohne dauerhafte Beatmungsnotwendigkeit ab.

Angesichts dieser ermutigenden Ergebnisse sind internationale doppelblinde Plazebo-kontrollierte Phase III-Therapiestudien (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02193074) mit mehrfachen SMNRx-Gaben pro Patient in 31 Zentren (Nordamerika, Europa, Australien, HongKong, Tawain, Südkorea und Japan) begonnen worden bzw. geplant: eine 13monatige Studie mit geplanten 110 SMA I-Patienten, nicht älter als 7 Monate, hat im Juli 2014 zuerst in den USA begonnen und soll voraussichtlich im Juli 2017 abgeschlossen werden. Eine 15monatige Studie mit geplanten 120 SMA II / III-Patienten soll im Winter 2014/15 beginnen.

Das Verhältnis von Patientenanzahl in der Verumgruppe zu Plazebogruppe soll jeweils 2:1 betragen.

5.4 Oral verfügbares kleines Molekül (small molecule) RG7800 (PTC/Roche) in Phase 1a-Studie

Die Sicherheit dieses SMN2 splice modifiers (keine Details bekannt) wurde an 48 gesunden Probanden (Plazebo versus einmalige RG7800 Gabe in unterschiedlichen Dosen) bestätigt. Zuvor war die Wirksamkeit in präklinischen Studien an Mäusen durch Steigerung des Verhältnisses Volllänge SMN mRNA : SMN Δ7mRNA belegt worden. Somit kann eine Phase II-Therapiestudie avisiert werden, die in Vorbereitung ist.

5.5 Therapeutischer Gentransfer durch intravenöse Gabe des scAAV9.CB.SMN Virus (auch chariSMA genannt; Phase 1, NCT02122952)

Geplant ist eine einmalige Gabe an 9 SMA1-Patienten, die jünger als 9 Monate alt sind. Drei Patienten werden eine niedrige Virusdosis erhalten, bei guter Verträglichkeit erhalten die anderen 6 Patienten eine 5mal höhere Virusdosis. Der erste Patient wurde im Juni 2014 behandelt. Die Nachbeobachtung wird 2 Jahre betragen, so dass mit einem Studienabschluss 2017 zu rechnen ist.

 

6. Klinische Forschung: Bewegung, Ernährung und Lebensqualität

6.1 Nutzen von Bewegungstraining für SMA III-Patienten

Was einleuchtend erscheint, nämlich, dass maßvolles Bewegungstraining möglicherweise den Verlust motorischer Funktionen bei SMA-Patienten verlangsamen kann, wurde durch Montes und Kolleginnen an 12 SMA III-Patienten in einer kontrollierten Studie über 6 Monate und nachfolgender Beobachtung von 9 dieser Patienten über weitere 19 Monate nachgewiesen (Neurology 82 (10) Supplement S16.003; 2014). Das Bewegungstraining hatte keine unerwünschten Nebenwirkungen, führte allerdings nur zu leichten Verbesserungen der Armkraft und der maximalen Sauerstoffaufnahme über die Lungen (VO2max), nicht aber der Ergebnisse im 6 minute walk test (6MWT).

6.2 Metabolische Besonderheiten bei SMA II-Patienten

s. vollständigen Bericht

6.3 Lebensqualität bei SMA I-Patienten

s. vollständigen Bericht

 

7. Gesundheitspolitische Rahmenbedingungen: Verständigung zwischen regulatorischen Behörden, Familien, Wissenschaftlern und pharmazeutischer Industrie

7.1 Gemeinsame Frage-und-Antwort-Sitzung unter Beteiligung aller Interessensgruppen

Mit Interessengruppen sind alle gemeint, die die SMA-Forschung voranbringen wollen mit dem gemeinsamen Ziel, eine heilende Behandlung zu entwickeln. Dazu gehören die Patienten, die Patientenverbände, die Wissenschaftler im akademischen und industriellen Umfeld, die öffentlichen und privaten Geldgeber und die Gesundheitsbehörden, deren regulatorische Instanzen (FDA in USA; EMA in Europa) sozusagen als Schiedsrichter darüber wachen sollen, dass die besonderen Interessen aller Beteiligten gleichermaßen berücksichtigt werden. Während z.B. die Wissenschaftler Wert darauf legten, möglichst gründlich zu arbeiten, um langfristige Erfolge auch für zukünftige von SMA betroffene Familien zu erzielen, hätten die Familien mit SMA-Betroffenen ein verständliches Interesse daran, dass die Forschung möglichst kurzfristig Ergebnisse erbringe, selbst wenn dabei methodische Kompromisse gemacht werden müssten.

In diesem Zusammenhang wurde auf die Bewerbungsmöglichkeit bei der FDA um Begutachtung nach dem Prinzip der beschleunigte Medikamenten Entwicklung (sog. „expedited drug development program“) hingewiesen (Sherman et al., 2013). Für das Zulassungsverfahren eines potentiellen Medikaments aus der SMA-Forschung ist insbesondere der Modus der „breakthrough-therapy designation“ attraktiv (Bewerbung zur Zulassung einer Substanz, die einen therapeutischen Durchbruch verspricht). Die Voraussetzungen dafür, dass ein Medikamentenzulassungsverfahren von der FDA die „breakthrough-therapy designation“ erhält, sind a) es muss sich um eine schwere/lebensbedrohliche Erkrankung handeln; b) es müssen vorläufige klinische Daten für die Wirksamkeit der Substanz vorliegen z.B. in Gestalt einer abgeschlossenen Phase 1 Studie. (Vielversprechende Studienergebnisse an Modellorganismen reichen nicht aus!) Wenn von der FDA der Status einer „breakthrough therapy designation“ vergeben wird, ist dies also keinesfalls schon gleichbedeutend mit der Zulassung der Substanz als Medikament. Es soll vielmehr zunächst die Zusammenarbeit zwischen der jeweiligen Therapiestudienleitung und der FDA dahingehend gefördert werden, dass durch engen Informationsaustausch die Phase III-Studie mit minimal erforderlichem Aufwand (Dauer, Patientenzahlen, optimale outcome measures / Endpunkte) betrieben wird. Außerdem soll der behördliche Zulassungsprozess im Sinne einer „fast-track designation“ für „priority review“ in Frage kommen, bei dem sich die FDA verpflichtet, die Bewerbung um Marktzulassung eines potentiellen Medikaments fast doppelt so schnell wie sonst zu bearbeiten (6 statt 10 Monate).

Bemerkenswert war die Teilnahme hochrangiger Vertreter aus der Gesundheitspolitik und der Industrie, die betonten, dass die SMA-Gemeinschaft beispielhaft für viele andere Patientenverbände sei in dem, was sie erreicht habe.

7.2 Bisher Erreichtes

Jill Jarecki (Research Director, Families of SMA), Peter Schultz (Direktor von CALIBR, dem California Institute for Biomedical Research) und Tom Crawford (Prof. für Neurologie und Pädiatrie; Direktor der Spezialsprechstunde für Neuromuskuläre Erkrankungen, Johns Hopkins, Baltimore, Maryland, USA) beendeten die gemeinsame Sitzung von Wissenschaftlern und Familien/Patienten mit einem Resümee der bisherigen Errungenschaften.

Jill Jarecki legte dar, dass die FSMA in den letzten 30 Jahren 55 Millionen US-Dollar (davon alleine 35 Millionen seit 2004) gesammelt und in die folgenden Bereiche investiert hat: Grundlagenforschung (12 Projekte), Medikamentenentwicklung (6 Projekte), Klinische Forschung (8 Projekte), Versorgungsforschung (seit 2014), Jahrestagungen.

Peter Schultz betonte, dass angesichts des durchschnittlichen Aufwands für die Entwicklung eines einzigen neuen Medikaments (1 Milliarde US-Dollar, 10-15 Jahre, nur 1 aus 10 Substanzen in Phase I erhalten Marktzulassung) die bisherigen Erfolge im SMA-Feld weit überdurchschnittlich sind: 15 Substanzen in der Entwicklung, davon 5 in klinischen Studien Phase I – Phase III, 32 Förderungsprogramme der US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) und eine 4 Millionen US-Dollar Zusage des National Institute of Child Health and Human Development (NICHD) für eine Pilotstudie über SMA-Neugeborenen-Screening www.nbstrn.org/supported-projects/spinal-muscular-atrophy.

Tom Crawford unterstrich nochmals, dass klinische Therapiestudien zum Schutz der teilnehmenden Patienten sehr sorgfältig vorbereitet und durchdacht werden müssen. Ergebnisse der klinischen Studien müssen nicht nur messbar, sondern vor allem auch klinisch relevant sein. Alle beteiligten Ärzte und Wissenschaftler müssen sowohl das Wohl und Leid ihrer eigenen Patienten als auch der zukünftigen Patienten vor Augen haben und dürfen in diesem Sinne Vereinbarung wie z.B. Ein-und Ausschlusskriterien für klinische Studien nicht aus Mitleid für eine/n aktuelle/n Patientin/en umgehen.

 

im September 2014
Dr. med. Raoul Heller, PhD und Eva Janzen, B. Sci.
Humangenetisches Institut
Universität zu Köln