Konferenz 2011 der britischen SMA-Wissenschaftler in Oxford
Neues aus der SMA-Forschung und von der Entwicklung einer Therapie
Im Oktober 2011 fand in der Nähe von Oxford das 8. Jahrestreffen britischer Wissenschaftler statt, die sich mit der Spinalen Muskelatrophie (SMA) befassen. Gastgeber war Professor Kelvin Talbot von der University of Oxford. Zu dieser Tagung waren auch diesmal Kollegen vom europäischen Festland eingeladen worden. Unterstützt wurde das Treffen vom Jennifer Trust for SMA und dem SMA Trust. An zwei Tagen wurde in 30 Beiträgen (Vorträge und Poster) Neues aus der SMA-Forschung diskutiert. Aus Platzgründen können hier nur einige Aspekte herausgegriffen werden.
In den vergangenen Jahren wurde immer deutlicher, dass nicht nur Motoneurone von der Erkrankung betroffen sind, sondern auch andere neuronale und nicht-neuronale Systeme. Mehrere Vorträge beschäftigten sich mit dieser Thematik. Die Arbeitsgruppe von Prof. Thomas Gillingwater (Edinburgh, UK) befasste sich auch mit Veränderungen des Zentralnervensystems außerhalb des Rückenmarks mit den dort liegenden spinalen Motoneuronen in einem Mausmodell der SMA. In anderen Regionen kam es durchaus auch zu spezifischen Veränderungen, die jeweils mit den SMN-Konzentrationen in den jeweiligen Geweben korrelierten. Auch in Muskeln kam es zu einem verstärkten Zelltod und molekularen Disregulationen, selbst wenn die innervierenden Motoneurone keine Defekte zeigten. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Beantwortung der Frage, inwieweit ein Mangel des SMN-Proteins in Muskeln eine wichtige Rolle für die Pathogenese spielt. Prof. Eduardo Tizzano (Barcelona, Spanien) untersuchte neuromuskuläre Endplatten – die Verbindung zwischen Motoneuronen und der Muskulatur – in Muskelproben von SMA Patienten. Dabei konnte seine Arbeitsgruppe zeigen, dass ein Defekt in der Aufrechterhaltung dieser Synapsen eines der ersten Zeichen einer neuromuskulären Disregulation ist. Auch das Gefäßsystem von Muskeln ist offenbar pathologisch verändert: Dr. Simon Parson (Edinburgh, UK) untersuchte Kapillaren in Muskeln eines SMA-Mausmodells. Hier zeigten sich Vergrößerungen der Gefäßdurchmesser und verringerte Gefäßdichten. Alle diese Daten sind für die Entwicklung einer zukünftigen Therapie von großer Bedeutung. Da bei der SMA mehrere Organsysteme pathologische Veränderungen zeigen, wird es nicht ausreichen, nur Motoneurone als Ziele therapeutisch anzugehen. Es deutet vieles darauf hin, dass eine mögliche Therapie eher systemisch ausgerichtet sein muss.
Dr. Rebecca Pruss, Chief Scientific Officer der Firma Trophos (Marseille, Frankreich) berichtete vom aktuellen Stand der europäischen klinischen Studie (Phase II) der von der Firma Trophos entwickelten Substanz Olesoxime. In Deutschland nehmen vier klinische Zentren an der Studie teil. Die Substanz wurde in einem Screening gefunden, bei dem das Überleben von Motoneuronen in Zellkultur nach Entzug von Wachstumsfaktoren getestet wurde. In Phase I-Studien wurde unter anderem die Sicherheit und Verträglichkeit der Substanz getestet. Es liegt nun eine flüssige Darreichungsform vor, die an über 160 SMA Typ 2 und 3 Patienten in der Phase II-Studie getestet wird.
Die Rolle der SMA-Patientenorganisationen bei der Entwicklung translationaler Ansätze in der SMA-Forschung war das Thema eines Vortrags von Prof. Volker Straub (Newcastle, UK). Er wies darauf hin, dass Patientenorganisationen eine sehr wichtige Rolle bei der Steuerung und Finanzierung translationaler Forschung über seltene Erkrankungen zukommt – dazu gehört auch SMA. Sowohl Patientenregister als auch Partnerschaft und Dialog zwischen Patienten, Universitäten, Industrie und Administration sei eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg. Beispiel für eine Plattform in diesem Sinne ist das neuromuskuläre Netzwerk TREAT-NMD, welches von der Europäischen Union gefördert wird.
Prof. Dr. Peter Claus
Medizinische Hochschule Hannover