Die spinale Muskelatrophie mit Atemnot Typ 1 (SMARD1)

Neben der klassischen spinalen Muskelatrophie (SMA) ist die SMA mit Atemnot („respiratory distress“ Typ 1, SMARD1) die zweite Vorderhornerkrankung im Säuglings- und Kleinkindalter, die genetisch aufgeklärt werden konnte. Die SMARD1 wird nicht durch Mutationen im SMN1-Gen der klassischen SMA auf Chromosom 5q13 verursacht, sondern durch Mutationen in einem anderen Gen auf Chromosom 11q13, dem IGHMBP2-Gen.

Trotz vieler Gemeinsamkeiten lässt sich das klinische Bild der klassischen SMA von dem der SMARD1 unterscheiden.

Bei der SMARD1 steht eine frühe und schwere Atemnot der Patienten im Vordergrund, die durch eine Lähmung des Zwerchfells verursacht wird. Im Alter von 1 bis 6 Monaten zeigen die Kinder eine Atemnot, sowie eine fortschreitende Muskelschwäche, die zunächst an den Beinen und besonders distal an den Fußgelenken auffällt. Das sensorische und das autonome Nervensystem können im Verlauf auch betroffen sein. Dies zeigt sich in einer Abnahme der Sensibilität, in Blasenentleerungsstörungen, Obstipation, Temperaturregulationsproblemen und kardialen Arrhythmien sowie durch Blutdruckprobleme. Auch kann es zu einer Schwäche der mimischen Muskulatur kommen und zu Zungenfaszikulationen. Nach einer innerhalb der ersten zwei Jahre rasch progredienten Verschlechterung der Erkrankung erreichen die Patienten eine anhaltende Plateauphase ihrer erhaltenen Restfunktionen, die interindividuell differiert.

Die Lähmung des Zwerchfells und die distal betonte Muskelschwäche grenzt die SMARD1 deutlich von der klassischen SMA ab. Bei der klassischen SMA zeigen sich die klinischen Symptome in umgekehrter Reihenfolge. SMA Patienten zeigen eine proximale Muskelschwäche, die im Schulter- und Beckengürtelbereich beginnt und haben erst später im Krankheitsverlauf eine Atemnot. Diese wird zunächst durch eine Schwäche der Zwischenrippen-Muskulatur verursacht und nicht in erster Linie durch eine Lähmung des Zwerchfells, wie bei der SMARD1.

Literatur:
Grohmann K et al. (2003) Infantile spinal muscular atrophy with respiratory distress type 1 (SMARD1).Ann Neurol 54:719-724
Hübner C et al. (2007) Die spinale Muskelatrophie mit Atemnot oder “Respiratory distress” Typ 1 (SMARD1). Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 3:99-102
Eckart M et al. (2012)The natural course of infantile spinal muscular atrophy with respiratory distress type 1 (SMARD1). Pediatrics 129:1-9

In unserer Klinik bieten wir eine SMARD1-Diagnostik aus Blutproben an sowie eine genetische Beratung betroffener Familien einschließlich einer Pränataldiagnostik.

Kontaktadresse:
Dr. Katja von Au
Prof. Dr. Christoph Hübner
Klinik für Kinderheilkunde m.S. Neurologie
Charité, Universitätsmedizin Berlin
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